Empfehlung 2.13:
Die operative Dekompression sollte erwogen werden, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, um eine für den individuellen Patienten zufriedenstellende Lebensqualität zu erzielen.
100 % Zustimmung (starker Konsens)
Dabei sollten mittellinienstruktur-sparende Verfahren der Laminektomie bevorzugt werden.
Ergänzende Stabilisierung
Die Pathogenese der Spinalkanalstenose beginnt mit einer Bandscheibendegeneration und – höhenminderung, die zu einer relativen Laxheit der das Bewegungssegment straffenden Bänder führt und somit zu einer zumindest subklinischen Instabilität. Daraus ergibt sich die potenzielle Notwendigkeit einer zusätzlichen Stabilisierung bei der operativen Behandlung der Spinalkanalstenose. Hierzu existieren mehrere RCTs, komparative Studien, retro- und prospektive Kohortenstudien sowie systematische Reviews und Metaanalysen [96-103].
Dabei profitieren Patienten nach reiner Dekompression und Patienten mit zusätzlicher Fusion in gleicher Weise bzgl. der Besserung der klinischen Beschwerden und der Lebensqualität [96-98, 103] mit einem Trend zum besseren Outcome nach zusätzlicher Fusion [103], aber auch einem Trend zur höheren Reoperationsrate und einem höheren intraoperativen Blutverlust und Operationsdauer [98]. Bei Vorliegen von degenerativer Instabilität zeigen die Patienten, die additiv stabilisiert worden sind, vergleichbare klinische Ergebnisse wie Patienten ohne Instabilität und reiner Dekompression [100] und signifikant bessere Ergebnisse als die Patienten, die nur dekomprimiert worden sind [102].
Multiple Stabilisierungs- und Fusionstechniken kommen in Frage, ohne dass eine der Techniken eindeutig präferiert werden kann (posterolaterale Fusion, PLIF, TLIF, ALIF, OLIF, XLIF (P= posterior, T= transforaminal, A= anterior, O= oblique, X= eXtreme, LIF=lumbar interbody fusion)) [101]. Der Stellenwert neuerer Non-Fusionstechniken (dynamische Stabilisierung) kann derzeit noch nicht eindeutig beurteilt werden [104-106].
Empfehlung 2.14:
Bei der operativen Behandlung der lumbalen Spinalkanalstenose sollte der routinemäßige Einsatz von Fusionstechniken zusätzlich zur Dekompression nicht erfolgen. Beim Vorliegen von klinischen und radiologischen Instabilitätszeichen sollte eine zusätzliche Stabilisierung erfolgen. Dabei kommt eine Vielzahl von chirurgischen Techniken in Frage.
100 % Zustimmung (starker Konsens)
Interspinöse Spreizer (interspinous process device=IPD)
Vermutetes Wirkprinzip der IPDs bei der operativen Behandlung der symptomatischen Spinalkanalstenose ist die indirekte Dekompression von Spinalkanal und Foramina durch Straffung der dorsalen hypertrophierten Bänder und des dorsalen Bandscheibenfaserrings. Dies wird durch das Fixieren des betroffenen Bewegungssegments in leichter Kyphose durch Aufspreizung des interspinösen Raums erreicht.
Bisher veröffentlicht sind zwei prospektive, randomisierte, kontrollierte Multicenterstudien bei milder bis moderater Claudicatio (RCTs), die die konservative Therapie mit der Implantation eines interspinösen Spreizers (x-stop) vergleichen [107, 108].
Es fand sich eine signifikante Besserung der Claudicatio (gemessen mit dem Zurich Claudication Questionnaire (ZCQ)) bis zwei Jahre nach Randomisierung und eine vergleichbare Rate sekundärer Operationen. Limitiert wird die Aussagekraft durch eine selektionsanfällige Blockrandomisierung, signifikant bessere Ergebnisse in einem Studienzentrum im Vergleich zu allen anderen und signifikant schlechtere klinische Ergebnisse in beiden Gruppen, als bei Studienplanung erwartet.
Im direkten Vergleich mit traditionellen Dekompressionstechniken (Laminektomie, Laminotomie, beidseitige Fensterung) zeigten IPDs vergleichbare Symptombesserungen (VAS, ODI, Roland Disability Questionaire) bis 1-2 Jahre nach Operation, aber mit einer signifikant erhöhten Reoperationsrate [109- 113]. Belastbare Langzeitergebnisse liegen nicht vor.
Die zeitlich recht eingeschränkte Wirkdauer der IPDs ist ein grundsätzlicher Nachteil dieser Methode. Bereits 6 Monate nach Implantation zeigt sich bei 50 % der Patienten ein Wiederauftreten bzw. Progress der ehemaligen Symptome [114].
Empfehlung 2.15:
Der Einsatz von interspinösen Spreizern zur operativen Behandlung einer konservativ therapierefraktären lumbalen Spinalkanalstenose sollte nicht routinemäßig erfolgen.
100 % Zustimmung (starker Konsens)
In Einzelfällen kann, bei hohem Narkoserisiko und hoher Stenose-bedingter Beschwerdelast, der Einsatz eines interspinösen Spreizers in Lokalanästhesie erwogen werden.