In den vergangenen Wochen häuften sich Medienberichte, wonach es in Österreich zu viele chirurgische Eingriffe an der Wirbelsäule gäbe. Die österreichische Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie (spine.at) hat es sich zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wann ein chirurgischer Eingriff indiziert bzw. tatsächlich notwendig ist und wann nicht. Die allgemeine Stimmungsmache, dass Ärzte unnötige Wirbelsäulen-OPs durchführen würden, entbehrt klar jeglicher statistischen Faktenlage. Grundsätzlich verfolgen Ärzte eine ganzheitlichen Strategie, bei welcher der Patient im Fordergrund steht – Entscheidungen über die Behandlungsstrategien, mit den jeweilgen Vor- und Nachteilen werden mit und für die Patienten getroffen. Im Gegensatz dazu, scheint es manchen anscheinend nur um die Profilierung der eigenen Person in der Öffentlichkeit zu gehen. Wenig hilfreich ist es daher, wenn Mediziner, die eindeutig nicht wirbelsäulenchirurgisch tätig sind sind, und teils fragwürdige wirtschaftliche und mediale Interessen verfolgen, der Öffentlichkeit gute Ratschläge mit auf den Weg geben und suggerieren, ein wenig Gymnastik, ein bisschen Spazierengehen und viel Wasser trinken würde alle Probleme in und um die Wirbelsäule lösen. Dem ist leider nicht so!
Wenn man die Evolution des Menschen näher betrachtet und man sich auf das heutige Abnutzungsverhalten der menschlichen Wirbelsäule fokussiert, so kann klar festgehalten werden, dass unsere Wirbelsäulen niemals für das durchschnittlich hohe Alter, dass Menschen heute erreichen, konzipiert bzw. gebaut wurde. In vielen Fällen kommt eine Überbelastung und erhöhte Abnutzungserscheinungen hinzu und unsere Wirbelsäule gibt sprichwörtlich k.o. Manches Mal kann man mit minimalinvasiven Methoden Linderung schaffen und Patienten erlangen ihre vollständige Lebensqualität zurück. Genauso oft ist es jedoch notwendig, dem Patienten durch einen chirurgische Eingriff Schmerzlinderung zu verschaffen und so ihre Lebensqualität zu erhöhen. Dies ist auch kein nationales, sondern ein globales Problem und eine Schwerpunktsetzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Vereinten Nationen.
Auf der Website der Österreichischen Wirbelsäulengesellschaft findet man alle entsprechenden Informationen zur Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen, in voller Übereinstimmung mit der Grundlagenforschung sowie den Empfehlungen und Richtlinien der Europäischen Wirbelsäulengesellschaft (EUROSPINE).
In den AWMF-Leitlinien ist klar festgelegt, dass bei reinen Kreuzschmerzen ohne Hinweis für Nerven- oder Rückenmarksbedrängung zunächst für 6 Wochen eine symptomatische Behandlung zu erfolgen hat (Schmerzmittel, Physiotherapie, Bewegung).
Bestehen die Lebensqualität beeinträchtigenden Beschwerden weiter, ist eine genaue klinische Untersuchung, das Erheben des neurologischen Status und weiteres konservatives Vorgehen nötig. Es erfolgt auch weitere Diagnostik mit Röntgen MR, CT und darauffolgend die röntgen- oder CT-gesteuerten Infiltrationen, Physiotherapie und Schmerzmittel.
Tritt nach 8 – 12 Wochen keine Besserung ein und der Betroffene ist weiter in seiner Lebensqualität beeinträchtigt, kann eine Operation indiziert sein.
Eine Operation reduziert das Ausmaß der Folgeerscheinungen von Wirbelsäulenerkrankungen wie depressive Befindlichkeiten, Entwicklung der Depression bzw. soziale Probleme durch Krankenstände und Arbeitsplatzverlust.
Bei einem neurologischen Defizit (Schwäche-Lähmung in Arm/Hand oder Bein/Fußbereich oder einem Rückenmarksproblem mit Gangunsicherheit bis zur Querschnittslähmung) ist die sofortige MR- und Röntgenabklärung und, bei entsprechendem Befund, die sofortige operative Therapie erforderlich.
Es gibt viele eindeutige Studien, die diese Grundsätze belegen. Eine davon ist die Studie von Andersen und Rasmussen. 2017 berichten sie von 678 Patienten mit Bandscheibenproblemen. Diese Studie zeigt, dass jene Patienten, die innerhalb von 3 Monaten Schmerzdauer operiert wurden, eine bessere Schmerzreduktion hatten und zu 83 % wieder in den Arbeitsprozess zurückkamen. Bei den Patienten, die länger als 3 Monate die Schmerzen hatten und irgendwann operiert wurden kehrten nur 50 % in den Arbeitsprozess zurück.