Wirbelsäulenbeschwerden
– worauf es wirklich ankommt!
In jüngster Zeit häufen sich Medienberichte mit vorwiegend unrichtigen bzw. für Österreich nichtzutreffenden Statistiken und falschen Zahlen, die suggerieren, dass zu oft an der Wirbelsäule operiert wird. Die Österreichische Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie (spine.at) möchte dazu Stellung beziehen, die Situation näher beleuchten und mit Fakten belegen:
Die Therapie von Wirbelsäulenbeschwerden hängt einerseits von der Intensität und andererseits von der Ursache – geklärt durch einen Befund – ab. Hat ein Patient Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung in Arme und Beine, wird zunächst für einige Wochen eine Schmerzbehandlung und Physiotherapie empfohlen. Ist der Schmerz dann weitgehend verschwunden, handelt es sich zumeist um den „unspezifischen Kreuzschmerz“, bei welchem in der Regel kein chirurgischer Eingriff empfohlen wird.
Hält der Schmerz allerdings an, dann sollte eine radiologische Abklärung mit Röntgen, MR oder auch CT durchgeführt werden. Zusätzlich sollte eine genaue neurologische Untersuchung und die Einleitung einer gezielten Therapie empfohlen werden, die mit Infiltrationen unter CT- oder Röntgenkontrolle erfolgen kann. Alternativ empfehlen Wirbelsäulenspezialisten eine intensivere Schmerztherapie mit Infusionen und Muskelaufbau mit Physiotherapie.
Als Ursachen können eine Degeneration mit Bandscheibenproblemen, Wirbelverschiebungen (Listhese, Skoliose), Arthrose der Gelenke, gestörte Stellung der Gesamtwirbelsäule (Profilstörung) und auch eine Dysfunktion bzw. Arthrose vom Kreuz-Darmbeingelenk sein. Daneben können auch schwere Erkrankungen wie Entzündungen, Infektionen, Tumore oder Traumata, wie ein Wirbelbruch als Ursache gefunden werden.
Halten die Schmerzen trotz Infiltrationen und intensiver Therapie an und erklärt der Befund das Problem, dann erst sollte ein chirurgischer Eingriff erfolgen, um folgenschwere negative Konsequenzen von andauernden Schmerzen zu verhindern bzw. zu mildern. Weitreichende Folgen unerträglicher Schmerzen können mitunter Stimmungsschwankungen bis zur Depression, laufende Krankenstände, die womöglich zum Verlust des Arbeitsplatzes führen können, bis hin zum Suizid, sein.
Studien belegen klar, dass die Rückkehr zum Arbeitsplatz von der Schmerzdauer abhängig ist. Eine dieser Studien ist jene von Andersen und Rasmussen. Diese Studie zeigt anhand von 678 Teilnehmern, dass jene Patienten, die innerhalb von 3 Monaten Schmerzdauer operiert wurden, eine bessere Schmerzreduktion hatten und zu 83 % wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden konnten. Bei jenen Patienten, die länger als 3 Monate Schmerzen verspürten und erst später operiert wurden, kehrten nur knapp 50 % in den Arbeitsprozess zurück.
Anders verhält es sich, wenn eine zusätzliche Schmerzausstrahlung in Arme und Beine vorliegt. Das ist ein Indiz dafür, dass sich der Nerv unter Druck befindet. Hier sollte die umgehende Abklärung mit Röntgen und MR erfolgen. Weiters können eine neurologische Untersuchung und die Einleitung von gezielten Behandlungen einschließlich CT oder Röntgeninfiltrationen empfohlen werden, sofern keine Lähmungen vorliegen. Bei Nichtbesserung nach 8 – 12 Wochen Therapie ist ein operativer Eingriff indiziert.
Liegen allerdings Lähmungen (Schwäche einer Muskelgruppe), eine Blasen-Darmstörung oder Probleme vom Rückenmark (Querschnitt, Gangunsicherheit, Gefühl „wie auf Watte zu gehen“, Koordinationsstörungen, usw.) vor, dann besteht ein Notfall, der die sofortige Abklärung mit Röntgen und MR nötig macht und oft einen sofortigen chirurgischen Eingriff zur Folge hat. Studien belegen klar, dass ein rascher operativer Eingriff die besten Chancen einer Erholung oder Rückbildung von der Lähmung mit sich bringt – in diesem Fall drängt die Zeit und die OP sollte raschestmöglich erfolgen. Besteht ein neurologisches Defizit über mehrere Wochen und Monate, dann sinkt die Chance auf vollständige Genesung beträchtlich.
Erfahrungsgemäß ist Untätigkeit in solchen Fällen, vor allem durch von manchen „Gesundheits-experten“ geäußerte Aussagen wie „da müssen Sie damit leben, und da kann man nichts machen“ die mit Abstand schlechteste Option und bleibende Schmerzen in der Folge wahrscheinlich. In jedem Fall sollte die Abklärung durch einen Wirbelsäulenspezialisten erfolgen, ebenso wie die Therapieplanung oder ein chirurgischer Eingriff. Informationen und Selbstdiagnosen auf diversen Internetseiten, aber auch vermeintliche „Sachbücher“ und Zeitungsartikel sollten immer kritisch hinterfragt werden, denn oft beinhalten sie haarsträubende, nachteilige oder sogar für Patienten gefährliche Informationen – davor warnt auch die Europäische Wirbelsäulengesellschaft EUROSPINE.
In jedem Fall sollte die Schmerzursache sorgfältig von Experten evaluiert und – abhängig von einem soliden Befund – eine gezielte Therapie empfohlen werden. Grundsätzlich operieren die Wirbelsäulenspezialisten der Österreichischen Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie nur dann, wenn es tatsächlich medizinisch indiziert und einfach notwendig ist.
Ein umfassendes Expertenverzeichnis von Wirbelsäulenchirurgen in Österreich finden Sie hier.
Rückfragehinweis:
Dr. Helmut Hiertz
Facharzt für Neurochirurgie
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie (spine.at)